Kleinorientierungsflug – Lost über der Schwäbischen Alb

Der GAFOR-Wetterbericht sieht an diesem Samstag nicht so toll aus. Besser geschlafen habe ich außerdem auch schon einmal. Ich mache meinem Fluglehrer klar, dass ich heute lieber keine Solos fliegen möchte und so starten wir ein Alternativprogramm.

Es steht ein Kleinorientierungsflug mit der Luftfahrtkarte Blatt Stuttgart auf dem Programm. Man sucht sich markante Punkte auf der Karte und fliegt diese dann durch Herausschauen aus dem Flugzeug ab. Was sich simpel anhört, ist in der Praxis allerdings gar nicht so einfach.

Zunächst stehe ich jedoch noch vor einem ganz anderen Problem. Meine Schul-Maschine ist nicht da. Jemand anderes befindet sich noch mitten im Streckenflug und hat wohl vergessen, pünktlich zur Hahnweide zurückzukehren.

Gut, dass die Flugschule noch eine etwas ältere aber weitgehend baugleiche Maschine hat. So mache ich die D-ESOA, eine Aquila A210, fertig, packe meine Luftfahrtkarte und meinen Fluglehrer ins Cockpit und es geht los. Dabei muss ich mich noch an das andere Cockpit-Layout und die älteren Instrumente gewöhnen.

Schon kurz nach dem Start, wird klar, wie schlecht das Wetter wirklich ist. Auf 4.000 ft ist Schluss mit Steigen, die trübe Wolkensuppe beeinträchtigt meine Flugsicht bereits ordentlich. Über der Burg Hohenneuffen angekommen, stellt mein Fluglehrer mir die erste Aufgabe. „Schau Dir mal auf der Karte an, wo Du gerade bist. Und dann fliegst Du mich mal zum Segelflugplatz Münsingen.“ Und damit es auch nicht zu einfach wird, schaltet er mit diesen Worten die Moving Map im Cockpit einfach ab. Die Karte und meine Augen sind das einzige, was bleibt.

So weit so gut. Auf der Karte sind auf der Strecke Richtung Münsingen markante Straßenkreuzungen und Bahnlinien zu erkennen. Leider passen diese nicht zu dem, was ich sehe, wenn ich über die Flügelspitze aus dem Flieger schaue. Ich fliege erst einmal einen groben Kompasskurs nach Süden und versuche, irgend etwas Bekanntes von hier oben auszumachen. „Links von Dir ist Münsigen“, erlöst mich mein Fluglehrer. Puuuh. Zufallstreffer. Nur wo ist nun das Segelfluggelände? Ah auf der rechten Seite. „Dann kannst Du ja gleich noch eine Ziellandeübung machen“, meint mein Fluglehrer und zieht den Leistungshebel in den Leerlauf. Die Aquila segelt Richtung Boden und ich versuche eine Route abzuschätzen, mit der ich genau auf der Schwelle der Piste 25 ankomme. Alles sieht so anders aus bei dem trüben Wetter. Viel zu hoch über dem Platz slippen wir im Seitengleitflug zur Schwelle der Piste, um dann wieder durchzustarten. Uff. Mein Shirt ist bereits jetzt wieder durchgeschwitzt.

„Dann flieg mich doch von hier aus mal zum Flugplatz Albstadt-Degerfeld“. Na das müsste doch zu machen sein. Schließlich verläuft eine Eisenbahnstrecke dort hin. Gerade habe ich sie doch noch gesehen. Wo ist denn das verflixte Teil schon wieder? Zum Kuckuck, das ist schwer. Knapp unterhalb der Wolkensuppe setze ich Kurs 230° und fliege einfach mal weiter. Bald müsste doch wieder eine markante Ortschaft unter mir auftauchen.

Lektion des Tages: Das ist ein Irrtum. Über dem Örtchen Winterlingen kurz vor dem Flugbeschränkungsgebiet ED R-132 schaltet mein Fluglehrer das Navigationssystem der Aquila wieder an. Da habe ich mich ja ordentlich verflogen. Wäre das in echt passiert, würde ich mich jetzt direkt über dem gesperrten Schießübungsplatz Messstetten der Bundeswehr befinden.

Mit Hilfe der Moving Map geht es dann nach Albstadt-Degerfeld. In der Suppe ist der Platz kaum zu erkennen. „Wenn der Pilot den Flugplatz nicht sieht, ist er meistens drüber“ kommentiert mein Fluglehrer meine Flüche und dreht die Aquila in eine beinahe 90° Schräglage. Mein Magen schickt mir einen kurzen Gruß. Ich schaue über die rechte Flügelspitze senkrecht auf den Boden und sehe die Markierungen der Landebahn…

Letzte Etappe für heute. „Flieg mich mal nach Tübingen. Wie lange brauchst Du schätzungsweise?“. Mit dem Daumen in der Karte würde ich sagen 15 Minuten. Und zack – ist die Moving Map wieder aus. Und noch einmal zack – jetzt ist auch noch das Primary Flight Display mit dem Kompass aus. Was zum Kuckuck… Mein Fluglehrer lehnt sich zurück und ruht sich aus.

Und wie komme ich jetzt nach Tübingen? Ich sehe mich kurz um und entdecke in der Wolkensuppe die Umrisse der Burg Hohenzollern. Ha! Von dort führt die B27 direkt nach Tübingen. An Hohenzollern vorbei setze ich Kurs. Nach 12 Minuten erreichen wir den Südrand der Stadt. „Gut gemacht“ kommentiert mein Fluglehrer. Geschafft für heute.

Zur Hahnweide ist es noch ein Katzensprung. Nürtingen kann ich bereits sehen. Die Wolkenuntergrenze sinkt weiter ab, als wir in die Platzrunde eindrehen. Das war richtig anstrengend heute. Aber die Lektion war um so nützlicher. In der Praxis ist die Kleinorientierung dann erforderlich, wenn das GPS ausfällt. Ist dann noch das Wetter schlecht, tut man gut daran, Kleinorientierung geübt zu haben.

SPIC 11h 6m
PICUS 2h 20m
von 45h