Die erste Flugstunde

Hatte ich am morgen noch Sorge, dass meine erste Flugstunde aufgrund des Wetters ausfallen müsste, stehe ich nun in der Flugschule am Fenster und die Sonne bricht hinter der Burg Teck hervor.

Im Briefing Raum lerne ich meinen Fluglehrer kennen. Ein sympathischer alter Hase, der bereits 38 Jahre als Fluglehrer auf dem Buckel hat.

Richtig prima finde ich, dass meine Vorstellungen in jeglicher Hinsicht berücksichtigt werden. So darf ich meine Ausbildung gleich auf der neuen Aquila A211 absolvieren, genau wie ich es mir gewünscht hatte. Wir schnappen uns sogleich das Bordbuch und machen uns auf zum Hangar.

Da steht sie, die GFK-Maschine Schönhagen. Kein halbes Jahr alt. Wir schieben die Aquila vom Hangar auf das winterlich sonnige Vorfeld und holen die Checkliste aus der Kabine. Ich darf von Anfang an selbst ran – wie könnte ich es auch anders besser lernen. Gemeinsam mit meinem Fluglehrer führe ich die umfangreichen Außenchecks durch, entnehme an Drainagenventilen Kraftstoff, um Kondenswasser auszuschließen, prüfe den Ölstand und fülle Motoröl nach. Danach bekomme ich die Einweisung an der Tankanlage und tanke beide Flügel ersteinmal voll. Gut und gerne 120 Liter haben wir nun dabei. Das reicht für gute 6 Stunden. Wollten wir nicht eine Kennenlernrunde fliegen? Wir schieben die Maschine zum Rollen bereit aufs Vorfeld und dann heisst es Platz nehmen.

Und zwar vorne links. Das neu erworbene Sennheiser HME-110 Headset auf dem Kopf. Es geht weiter mit der Checkliste „Before Engine Start“. Mittlerweile sind wir auf Seite 4 angekommen. Mit der Instrumentierung der Aquila bin ich bereits einigermaßen vertraut, nicht nur, weil ich schon Gelegenheit hatte, in einer Aquila mitzufliegen, sondern auch weil das Betriebshandbuch in den letzten Monaten zu meiner Wochenendlektüre zählte.

Ich lese laut und betätige die erforderlichen Hebel und Schalter. Es geht routiniert voran. Ich glaube mein Fluglehrer grinst. Vergaservorwärmer ein, Kraftstoffpumpe an, Choke ist gezogen. Ich drehe den Zündschlüssel auf Start und der Rotax 912 S beginnt zu schnurren. Wir sind rollbereit.

So langsam frage ich mich, wann der Fluglehrer wohl damit beginnt, die Maschine zu steuern. Aber der denkt noch nicht einmal daran. Brav befolge ich stattdessen die Anweisungen und rolle selbst über die Taxiways der Hahnweide zum Rollhalt an der Piste 25. Hier führe ich den Run-Up durch. Die Drehzahl ist beim Durchschalten der Zündkreise weit innerhalb der Toleranz. Die Drehzahlverstellung des Propellers reagiert einwandfrei. Alle Ruder laufen leichtgängig. Das Garmin G500 ist vollständig initialisiert und der Höhenmesser auf die Platzhöhe eingestellt. Landeklappen wie auch Trimmung sind auf Start gestellt. Before Takeoff Checklist complete.

Weiterhin macht mein Fluglehrer keine Anstalten, die Maschine zu übernehmen. Ich rolle auf die Piste und richte die Maschine aus. Die Bremsen ganz getreten, schiebe ich den Leistungshebel ganz  nach vorne. Der Propeller erreicht seine maximale Drehzahl. Auf los geht’s los! Mein Fluglehrer scheint Spaß zu haben! Ich löse die Bremsen und versuche die beschleunigende Maschine gerade auf der Bahn zu halten. Ganz schöne Beinarbeit am Seitenruder. Ich drifte nach links. Etwas unsanft ziehe ich die Maschine vom Boden. Wir fliegen. Ich fliege. Ich fliege?! Ich bin gerade selbst gestartet? Keine Zeit zum Nachdenken, der Fluglehrer ruft mir neue Anweisungen zu.

Ich steige auf 3.200 ft und halte weiter Kurs Richtung Westen. Die Aquila reagiert höchst sensibel auf meine Bewegungen am Steuerknüppel. Millimeterarbeit. Im Horizontalflug ausgetrimmt schaue ich zum erstem Mal richtig nach draussen. Herrlich. Während die Winterlandschaft unter uns vorbeizieht, steuere ich über Nürtingen Richtung Tübingen. Die Wurmlinger Kapelle ist bereits in Sicht, als wir beschließen über mein Zuhause zu fliegen. Ich nehme Kurs Richtung Herrenberg und von dort ist es noch ein Wimpernschlag bis Nufringen.

Weiter geht es nach Sindelfingen und Leonberg und über den Stuttgarter Kessel. Mein Fluglehrer möchte den Stuttgarter Flughafen im Tiefflug überqueren und meldet uns per Funk beim Tower an. Es ist nicht viel los und wir erhalten prompt eine Freigabe. Ich steuere die Aquila zwischen dem Fernsehturm und dem Funkturm hindurch (Meldepunkt Echo) und nehme Kurs auf den Stuttgarter Flughafen.

Ich bin erleichtert, als mein Fluglehrer übernimmt und in eine extrem enge Platzrunde auf die Piste 25 einschwenkt. Ich kann genießen und endlich ein paar Fotos schießen. Im Tiefflug donnern wir über die Landebahn des Stuttgarter Flughafens, unter uns keine 5 Meter mehr bis zum Boden. Am Ende der Piste geht es wieder steil nach oben und in eine scharfe Linkskurve nach Süden Richtung der Aichtalbrücke/B27 (Meldepunkt Sierra). Für einen kurzen Moment fühle ich mich, als wäre ich zu oft Achterbahn gefahren. Mein Innenohr muss sich wohl noch etwas eingewöhnen.

Ich übernehme wieder und fliege uns zurück zur Hahnweide, ziehe den Leistungshebel in den Leerlauf und beginne mit dem Sinkflug. Die Nase nochmals leicht anheben und warten, bis die Maschine bis zur Geschwindigkeit für die erste Stufe der Landeklappen verzögert hat. Erst im kurzen Endteil übernimmt mein Fluglehrer die Maschine. Ich bediene Kraftstoffpumpe und Landeklappen. Wir setzen auf und die Erde hat uns wieder.

Ich rolle zurück zum Hangar, folge der Checkliste und schalte schließlich den Motor ab. Geschafft! Noch bin ich wie berauscht. Das Flugzeug zurück im Hangar geht es wieder in den Briefing Raum und ich fülle meinen ersten Logbucheintrag aus. Mein Fluglehrer ist zufrieden. Erst jetzt verrät er mir, dass er einfach mal schauen wollte, wie weit ich wohl schon alleine kommen würde! Hat er mich doch glatt alleine starten lassen, der alte Fuchs! Ich vereinbare gleich die nächsten beiden Flugstunden und fahre als feuergetaufter frischgebackener Flugschüler zufrieden nach Hause.

SPIC 0h 55m
von 45h