673nm an einem Tag – Produktionsführung bei Aquila Aviation

An einem Tag von der Hahnweide (EDST) bis nach Schönhagen (EDAZ) und wieder zurück. Das sind 540nm – vorausgesetzt das Wetter spielt mit und man kann für beide Richtungen eine direkte Route wählen. Mit insgesamt 673nm sollte dies jedoch der bislang längste Flug werden, den ich bis dato unternommen habe. Aber erst mal ganz von vorne…

Seit langem hatte ich geplant, mir die Produktionsstätte von Aquila Aviation anzusehen. Schließlich interessiert es mich brennend, wie jener Flieger gebaut wird, auf dem ich nun schon so viele Stunden unterwegs war.

In den vergangen Tagen hatte ich immer wieder das Wetter geprüft und meine Route geplant. Auch heute früh sieht es danach aus, als wäre eine relativ direkte Strecke möglich, über Nürnberg, Gera und Leipzig bis zum Flugplatz Schönhagen, wo die Produktion der Aquila Aviation beheimatet ist.

Die Maschine gecheckt und vollgetankt, machte ich mich also auf den Weg. Als eine der ersten Maschinen verlasse ich die Hahnweide, während die Morgensonne sich daran macht, den letzten Frühnebel aufzulösen. Schnell lasse ich den Stuttgarter Luftraum hinter mir und steige auf FL75 in Richtung DKB VOR. Meine Unterhaltung für die nächsten Stunden wird die jeweilige FIS-Frequenz auf der gesamten Strecke Richtung Berlin sein.

Als ich schließlich nach einer knappen Stunde Nürnberg erreiche, beginnt bereits eine geschlossene Wolkendecke heran zu ziehen. Sollte die Wetterprognose stimmen, müsste ich jedoch nach dem Erzgebirge wieder auf eine aufgebrochene Wolkendecke treffen, hier würde ich dann für den Rest der Strecke unter die Basis sinken.

On Top zu Fliegen ist jedes Mal auf’s Neue atemberaubend schön. Die Sonne strahlt aus dem tiefen blau und es ist einfach unglaublich friedlich dort oben. Meile um Meile geht es so immer weiter voran. Kurz vor Gera macht die Wolkendecke jedoch noch immer keinerlei Anstalten aufzureissen. Der LTE-Empfang ist teilweise ordentlich und so schaue ich mir flugs ein Satellitenbild auf dem iPad an. Zeitgleich hole ich weitere Informationen über FIS ein. Habe ich so schlecht geplant?

Die Wolkendecke ist augenscheinlich deutlich schneller nach Westen gezogen, als in der Vorhersage angegeben. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als der „Wolkenkante“ in den Nord-Westen zu folgen – weg von meiner eigentlichen Route nach Berlin. Ich habe Sprit für 6 Stunden dabei und so bedeutet der Umweg zwar keine Gefahr, dafür einen massiven Zeitverlust.

Nach 30 Minuten finde ich direkt am Brocken im Harz schließlich endlich eine Lücke in der Wolkendecke. Sie ist relativ groß, so dass ich das darunter liegende Gelände samt dem Sendemasten auf dem Brocken ausgezeichnet erkennen kann. Langsam schraube ich mich aus FL75 wie ein Korkenzieher auf 4.500ft herunter, dann ist es endlich geschafft. Und die Sichtfliegerei hat mir einmal wieder erfolgreich eine neue Lektion in Sachen Wetterplanung erteilt.

Ich setze meinen Flug unter der Wolkenbasis fort, die meistens bei nicht mehr als 2.500ft AGL liegt, und nehme wieder Kurs auf mein eigentliches Ziel. Es geht an Magdeburg vorbei immer weiter nach Osten, bis ich schließlich mit 60 Minuten Verspätung endlich in die Platzrunde von Schönhagen einfliege. Der Flugplatz ist mir auf anhieb sympathisch. Die Platzrunde gestaltet sich großzügig und übersichtlich, dank PAPI gelingt der Endanflug ganz entspannt und ruhig. Sanft setzt die Aquila an Ihrem Geburtsort auf, als würde auch sie sich über den Besuch freuen.

Froh über die große Reichweite, stille ich den Durst der Maschine gleich mit AvGas UL91, bevor ich bei den netten Türmern meine Rechnung begleiche. Anschließend rolle ich mit der A211 direkt vor das Hallentor der Aquila-Manufaktur, wo bereits die nette Kundenbetreuerin und der Produktionsleiter von Aquila Aviation auf mich warten.

Die großen Schiebetore öffnen sich und ich stehe bereits im Herzen der Produktion. Überall arbeiten fleissige Hände an neuen Aquilas, deren künftige Besitzer bestimmt schon sehnsuchtsvoll auf die Auslieferung warten. Neugierig bestaune ich dieses Treiben und verfolge aufmerksam den Erläuterungen des Produktionsleiters.

Nach und nach gehen wir den ganzen Produktionsablauf durch und so lerne ich, wie aus den verschiedenen Verbundfaser-Werkstoffen und Teile-Formen die einzelnen Bestandteile der Fliegers entstehen, wie sie zusammengefügt und schließlich in unglaublich aufwändiger Handarbeit bis zur Perfektion weiter veredelt werden. Was mir besonders auffällt, ist die Hingabe und Sorgfalt, mit der die Mitarbeiter an den Maschinen arbeiten. Es lässt mich die DESOX mit anderen Augen sehen.

Auch die vom LBA geforderten Qualitätssicherungsprozesse sind eindrucksvoll. Die verwendeten Materialen und hergestellten Harze werden für jedes einzelne Bauteil und für jede Maschine akribisch dokumentiert. Über 200 Flugzeugakten schreiben so die Geschichte jeder einzelnen Aquila. Mit einem Handgriff finden wir auch den Aktenordner der DESOX, mit der ich heute angereist bin und die die Werk-Nummer 317 trägt.

Wir beenden die Führung schließlich in der Auslieferungshalle von Aquila Aviation, wo bereits eine nagelneue glänzende Maschine darauf wartet, abgeholt zu werden. Es riecht nach Neuwagen, als wir die Haube öffnen – ich nehme eine tiefe Briese. Herrlich. Die Führung war wirklich ein tolles Erlebnis!

Als wir die Halle verlassen, schaue ich besorgt zum wolkenverhangenen Himmel. Meinen geplanten Flug durch die Schönefeld-Kontrollzone entlang der VFR-Route über die Häuser und Sehenswürdigkeiten von Berlin verwerfe ich kurzerhand und beschließe, gleich wieder zur Hahnweide zurück zu fliegen. Die Satellitenbilder schaue ich mir dieses mal besonders gut an. Und auch der GAFOR verheisst nichts wirklich gutes. Im Erzgebirge sind die VFR-Bedingungen mittlerweile auf M8 gefallen. Für den Rückflug wähle ich deshalb eine Route, die mich schnell und direkt nach Westen bringt. Direkt zum Fulda VOR und dann nach Süden immer weiter bis zur Hahnweide.

Ich hüpfe in die DESOX und gehe die Checklisten durch. Ein letztes Mal werfe ich einen Blick auf die Aquila Halle, dann rolle ich zur Piste 07. Der Wind bläst mit 10kn direkt auf die Nase, als die Aquila den Boden verlässt. Rasch gewinne ich an Höhe und verlasse schließlich die Platzrunde.

Meine Entscheidung für die Alternative Rückflug-Route erweist sich als gut. Zwar fliege ich bis Fulda weitgehend in Luftraum G zwischen 1.500 und 2.000ft AGL mit Sichten um 4-5km, doch es geht stetig vorwärts. In Fulda angekommen ändert sich das Wetter schlagartig. Die Wolken reissen auf und die Sonne lacht aus dem blauen Himmel auf die DESOX herab. Mittlerweile wieder auf der FIS-Frequenz von Langen-Information macht sich dies sofort durch die zunehmende Anzahl der funkenden Piloten bemerkbar.

Jetzt nur noch etwas über eine Stunde immer geradeaus. Bei dem schönen Wetter fällt das nicht besonders schwer. Ehe ich mich versehe, erspähe ich die Albkante. Hoch oben thront die Burg Teck und weist mir wie ein Leuchtturm den Weg zurück zur Hahnweide. Bei schönstem Kaiserwetter setze ich in der Abendsonne auf dem satten Grün der Piste 13R auf. Es ist geschafft. Erledigt, aber zufrieden stelle ich die Aquila ab, über die ich heute so viel gelernt habe. Ich freue mich schon auf meine nächsten Flüge mit Dir, liebe DESOX.