Über den Wolken – Der erste Flug als Pilot in Command (PIC)
Zwei Wochen können einem wie die Ewigkeit vorkommen. Zumindest wenn man auf seine Pilotenlizenz wartet. Klar, dass ich als sofort einen Chartertermin ausmache, als ich sie endlich im Briefkasten finde.
Freudestrahlend öffne ich die Eingangstüre der Flugschule. Obwohl alles vertraut ist, fühlt sich heute alles anders an. Entspannt beobachte ich das regsame Treiben um mich herum. Anstatt mit meinem Fluglehrer zu besprechen, was wir heute machen, höre ich ein „Hallo, na wo geht’s heute hin?“
Wenn das Wetter mitspielt, möchte ich nach Leutkirch im Allgäu. Zuvor werde ich jedoch 3 Platzrunden auf der Hahnweide absolvieren, denn 3 Landungen auf einem Flugzeugmuster sind eine zwingende Voraussetzung, wenn ich demnächst Passagiere mitnehmen möchte. Meine Flugplanung habe ich heute schon vollständig zu Hause erledigt. Jeppessen Mobile FliteDeck VFR ist programmiert, den GAFOR habe ich auch als App dabei und die NOTAMs ausgedruckt. Nur noch Mass & Balance und die Startstrecke berechnen, dann kann es losgehen.
Ich übernehme die Aquila direkt von einem Flugschüler vor mir. Bockig ist es, bekomme ich zu hören. Die Vorflugkontrolle läuft zügig und routiniert, nach dem Betankten schiebe ich die Maschine auf die Parkposition vor der Flugschule und hüpfe ins Cockpit.
Begeistert absolviere ich meine 3 Platzrunden und bin abermals erstaunt, wie befreit es sich ohne Fluglehrer oder Prüfer fliegt. Als ich die Platzrunde nach Süden verlasse, habe ich bereits ein Dauergrinsen im Gesicht. Über den Hohenneuffen geht es schließlich Richtung Allgäu.
Dicke Cumulus-Wolken auf 4.000ft säumen meine Flugstrecke, die METARs beschreiben die Wolkensituation mit Scattert (3-4/8). Durch die großen Wolkenlücken blitzt die Sonne und läd mich zu weiterem Steigen ein.
Während meiner gesamten Flugausbildung bin ich nicht ein Mal on Top (über den Wolken) geflogen. Heute bietet sich hierzu eine schöne Gelegenheit. Höchste Zeit dies nachzuholen, es geht auf 6.500ft. Der Ausblick on Top ist atemberaubend schön. Kein Vergleich mit einem Verkehrsflieger, denn ich habe ein 360° Panorama und kann fliegen, wohin ich möchte. Weich wie Watte ziehen die Cumulus-Wolken vorbei, die Thermik ist verschwunden und die Sonne strahlt in aller Schönheit aus dem tiefblauen Himmel. Alles ist ruhig und friedlich, am liebsten möchte ich für immer hier bleiben.
Leider bleibt mir dieser Wunsch verwehrt. Ein kurzer Blick Richtung Allgäu und Alpen verrät mir, dass dort eine aufliegende Bewölkung vorherrscht. Für den Anflug auf Leutkirch sinke ich also notgedrungen wieder auf 4.000ft, später sogar auf 3.500ft.
Die Platzrunde in Leutkirch funktioniert problemlos. Ein paar Regentröpfchen perlen von der Haube der Aquila. Im Endanflug auf die Piste 24 erkenne ich, dass der Asphalt richtig nass ist, hier es muss vor kurzem noch richtig geregnet haben.
Ich setze sanft auf der Asphaltpiste auf, rolle zur Parkposition. Der Türmer hat nicht viel zu tun, außer mir ist hier heute noch niemand gelandet. Erfreut von den Eindrücken meiner ersten Flugstrecke, gönne ich mir eine Gulaschsuppe im Propellerstüble, bevor ich mich auf den Rückweg mache.
Gestärkt zurück im Flieger bietet mir der Flugleiter den Backtrack auf der 1km langen Asphaltpiste an, so dass ich nicht durch das nasse Gras rollen muss. Und dann geht es auch schon wieder zurück zur Hahnweide. Die Wolken hängen weiterhin dunkel und tief im Allgäu und so suche ich mir alsbald wieder eine größere Wolkenlücke, durch die ich zurück on Top gelange.
Dieses Mal auf 8.500ft angelangt, genieße ich mein Fliegerglück mit jedem Atemzug. Genau so hatte ich mir das immer vorgestellt. Langsam zieht die Wolkendecke unter mir zu, ich korrigiere meinen Kurs ein wenig nach Westen. Auch nutze ich es heute aus, dass keine Passagiere an Bord sind und erfreue mich an der einen oder anderen Steilkurve. Schließlich nehme ich die Leistung des Fliegers in den Leerlauf, drücke die Nase nach unten und sause wie ein Adler (denn nichts anderes bedeutet Aquila) mit einer Sinkrate von 2.200ft/min und den Fahrtenmesser am Beginn des gelben Bereiches durch eine große Wolkenlücke zurück auf 4.000 ft.
Auf dem Weg zurück zur Hahnweide bessert sich das Wetter und auch die Wolkensituation. Die Lücken werden größer. Ich kann nicht widerstehen. Noch ein weiteres Mal trägt mich die Aquila über die Wolken, ich fliege einen Vollkreis und werde dieses herrliche Panorama in der Nachmittagssonne einfach nicht satt.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es nun leider doch Zeit wird, zur Hahnweide zurückzukehren. Schon beim Sinkflug Richtung Hohenneuffen ist die Thermik wieder zu spüren, die seit meinem Start vor fast zwei Stunden deutlich zugelegt hat.
Zurück in der Platzrunde der Hahnweide bockt und schüttelt es. Der Wind aus 280° mit 17 Knoten, in Böen 25 Knoten. Im Endteil auf die Piste 31 sackt die Aquila mehrfach durch, kaum die Hand am Gas, schiebt mich die nächste Böe jedoch schon wieder empor. Die Landung ist dann sportlich aber schließlich trotzdem gut machbar.
Auf dem Vorfeld der Hahnweide drehe ich den Zündschlüssel und der Motor steht. Das war er. Mein erster Flug als verantwortlicher Luftfahrzeugführer. Und was für einer. Ganz berauscht mache ich mich auf den Heimweg. Im Radio läuft Rock you like a Hurricane von den Scorpions, als ich nach Hause fahre, wie passend. Am liebsten möchte ich sofort zurück ins Flugzeug. Wie schön, dass ich das nun öfters tun kann…